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Edibles.

Das ist schon der sechste Teil dieser Geschichte. Lies sie von vorn – hier geht’s zum ersten Teil! Und das ist Teil fünf, der vor diesem erschienen ist.

„Claudine hat massive Angstzustände“, entgegnet das Giraffenwesen, bevor es der Bär in scharfem Ton unterbricht.
„Lee! Hör auf“, tönt er bedrohlich, während er mit einer Pranke beruhigend über Claudines Federkleid streicht. Die liegt weiterhin zusammengerollt wie eine Schnecke am Boden, zitternd und leise wehklagende Laute ausstoßend.
„Was denn?!“, blafft das Giraffenwesen in genervtem Ton zurück. „Darf man jetzt hier nicht mal mehr offen über mentale Gesundheit reden, oder was? Jesus, das Boomer-tum ist real …“
„Du nennst mich Boomer, du verdammte Schneeflocke?!“, schnauzt der Bär zurück.
„Nicht, bitte nicht“, wimmert Claudine in weinerlichem Ton, die Augen mit den Flügeln bedeckend.
„Entschuldige, meine Liebe“, sagt der Bär nun deutlich sanfter an Claudine gewandt und fügt, das Giraffenwesen gespielt freundlich anlächelnd, hinzu: „Was ich damit meine, Lee“, der Bär bemüht sich offensichtlich um einen ruhigen Ton, „ist, dass Claudine einfach etwas schwache Nerven hat.“ Den Blick auf mich richtend, sagt er: „Wenn dieser Riese nicht hier reingeplatzt wäre, wäre das alles nie passiert …“.
Vorsichtig gehe ich in die Knie, lege mich, nachdem ich mich vorsichtshalber noch einmal umgeschaut habe, damit ich keins der winzig kleinen Tiere versehentlich zerquetsche, flach auf den Bauch und schaue Claudine direkt an.

„Hallo“, flüstere ich vorsichtig, was Claudine ein gequältes Wimmern entlockt und dazu führt, dass sie sich nur noch mehr zusammenrollt. Ich registriere, wie sich ihr Gefieder krampfhaft hebt und senkt. „Hör zu“, füge ich extrem leise und beruhigend flüsternd hinzu, sodass es weder der Bär noch das Giraffenwesen hören können, „ich bin nicht hier, um dir wehzutun. Ich bin genauso verwirrt wie du, wie ich eigentlich hierher gekommen bin. Und noch mehr: was das hier eigentlich ist. Dieser hohle Baum ist kein gewöhnlicher hohler Baum, so viel steht fest. Und auch wenn ich nicht weiß, was hier passiert, weiß ich eins ganz genau: Ich werde keiner kleinen Eule etwas antun.“
Langsam spreizt Claudine ihren rechten Flügel auseinander. Ich sehe ihre leuchtend gelben Augen durch ihr Gefieder blitzen. Prüfend schaut sie mich an. „Es tut mir leid, dass ich dich erschreckt habe, Claudine“, fahre ich fort. „Ich kenne das Gefühl, wenn einem manchmal alles zu viel wird …“.
„Naja“, fällt mir der Bär ins Wort, „‘manchmal alles zu viel wird‘ würde ich nicht sagen. Wir sprechen hier schon immer noch davon, dass plötzlich ein Riese hier reingeplatzt ist, in unser Versteck …“.
Scharf atmet das Giraffenwesen ein. Während ich ansetze, danach zu fragen, was genau es mit diesem „Versteck“ auf sich hat, zieht es mit panischem Blick auf einmal eine Tüte mit Gummibärchen aus seiner herzförmigen transparenten Umhängetasche hervor. „Edibles, irgendwer?“, fragt es in den Raum hinein.

„Claudine – das ist denke ich jetzt für dich genau das Richtige, denkst du nicht?“ Auch wenn ich mir darüber im Klaren bin, dass das eine Ablenkungstaktik ist, die mich davon abhalten soll, nachzufragen, was es mit diesem „Versteck“ auf sich hat, bin ich von dieser neuen Wendung tatsächlich sehr überrascht.
„Du … du hast Edibles dabei?“, frage ich, doch etwas irritiert.
„Sicher, Babe. Nicht dein Ding, oder was? Vielleicht willst du eher CBD vapen? Hier, ich habe meinen Pen dabei!“, mit diesen Worten reicht mir das kleine Giraffenwesen einen noch kleineren Vaporizer, während es hektisch mit den langen Kunstwimpern klimpert.
„Ich denke, dieser Vaporizer ist möglicherweise etwas zu klein für …“, der Bär überlegt, bevor er die nächsten Worte ausspricht. „Unseren Gast“. Das letzte Wort betont er ganz besonders.
„Oh, mein Zeug hat ganz besondere Zauberkräfte“, betont das Giraffenwesen schnell, „und ich denke, etwas Entspannung würde uns allen gerade gut tun.“ Mit diesen Worten reißt es schon die Plastiktüte mit den hanfversetzten Gummibärchen auf, schiebt vorsichtig Claudine ein Bärchen in den Schnabel, drückt eines dem Bär in die Pranke, der es mit misstrauischem Blick annimmt und schüttet sich anschließend gleich mehrere Gummibärchen auf den Huf. Es mir verführerisch hinstreckend, schaut das Giraffenwesen mir tief in die Augen und sagt: „Trau dich!“.
Während ich noch kurz darüber nachdenke, dass das eine ziemlich schlechte Idee ist, in einem offensichtlich irgendwie magischen Baum mit winzigkleinen, höchstwahrscheinlich ebenfalls magischen Tieren Edibles zu konsumieren, die mir ein Wesen, das mit einer Giraffe nicht viel zu tun hat, angeboten hat, wandert meine mit mehreren kleinen Gummibärchen gefüllte Hand schon zu meinem Mund.

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