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U8.

Ein von der U-Bahn-Linie 8 in Berlin inspirierter Beitrag.

Mit strahlendem Lächeln betritt sie die U8, einen auf einen Rollator montierten Lautsprecher hinter sich herziehend. „Ladies and Gentlemen, mesdames et messieurs, das ist für euch!“, sagt sie zu den apathisch vor sich hin- oder in Smartphones starrenden Reisenden und betätigt einen Schalter an der Oberseite. Sie verschwendet keine Zeit und springt direkt zur Bridge, denn sie hat nur zwei Haltestellen Zeit, dann muss sie schon wieder raus, und Bridge und Refrain sind nun mal die Moneymaker in diesem Song; da gibt’s kein Gegenargumentieren. Sie führt ein Mikrofon, das vorher irgendwo in ihrem weiten Kleid gesteckt haben muss, an ihren Mund. Sie räuspert sich, doch das Räuspern wird nicht durch den Lautsprecher wiedergegeben, sondern versickert im U-Bahn-Abteil, in dem die Leute dicht gedrängt stehen.

„Near, far, wherever you are – I believe that the heart does go oooooon!“, singt sie mit wenig Können, aber viel Leidenschaft und sehr laut in das ansonsten totenstille Abteil hinein.

Ein breitbeinig sitzender Mann im schwarzen Jogginganzug verdreht die Augen und steckt sich AirPods in die Ohren.

„Once more, you open the door …“

Eine blonde Frau mit Kinderwagen verzieht gequält das Gesicht und wedelt sich hektisch mit einem Prospekt Luft zu, während sie einen ängstlich-prüfenden Blick auf ihr Baby, das noch schlafend im Wagen liegt, wirft.

Eine andere richtet ihre Smartphone-Kamera auf die Frau, die jetzt mit geschlossenen Augen und voller Inbrunst auf den Refrain zusteuert.

„And you’re here in my heart, and my heart will go on and on …“

Das Spiel von Panflöten erfüllt das Abteil. Eine Frau mit tätowierten Fingerknöcheln auf denen „rude“ steht, lässt ihre Augen durch den Wagen wandern. Vermutlich auf der Suche nach einem Nothammer, mit dem sich die Scheiben einschlagen lassen.

Die Bahn hält am nächsten Stopp. Eine Frau, Ende 60 schätzungsweise, mit langem Rock und streng zurückgebundenen grauen Haaren und mit einem kleinen Glas in der Hand, steigt ein und beginnt, sich durch die Leiber zu schieben, während sie leise vor sich hinmurmelt. Worte, die nur sie versteht. Sie hält das Glas in die Gesichter von Menschen, die sie entweder stoisch ignorieren oder ihr ein paar Münzen hineinwerfen, was sie mit weiteren gemurmelten Worten quittiert.

„You’re here, there’s noooothing I fear!“, tönt die Singende weiter, unbeeindruckt von dem, was um sie herum passiert.

Ein Mann Mitte 50 beginnt hektisch nach Kleingeld zu kramen. In seinen Augen glänzen Tränen.

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