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Lese-Alternativen 1: Plädoyer

Wer Autor*in werden will, muss lesen, lesen, lesen und die Leute, die nicht lesen, werden auch keine Autor*innen. Oder keine guten.

Sätze wie diese höre ich öfter. Viele Leute sagen, dass es nötig sei, von anderen, erfolgreichen, Autor*innen zu lernen, um schlussendlich einen eigenen Stil zu finden und selbst ein*e erfolgreiche*r Autor*in zu werden. Am Lesen führe kein Weg vorbei.

Andere – und damit meine ich Menschen, die sich als Intellektuelle sehen und/oder die selbst viel schreiben oder Autor*innen sind – sagen oft nicht direkt, dass man nicht Teil von etwas ist, wenn man nicht liest. Sie kommunizieren das gleiche aber auf andere, indirekte Art. Zum Beispiel, indem sie immer wieder betonen wie viel sie lesen. Oder auch, indem sie betonen, dass sie ausschließlich Hochliteratur, schwierige, philosophische Werke, die viel Vorwissen erfordern, um sie zu verstehen oder komplexe Klassiker lesen. Das machen sie oft, um sich von anderen abzugrenzen und um sich gleichzeitig zu erhöhen.

Ich finde es wichtig, das so nicht stehen zu lassen. Denn solche Statements, und damit meine ich auch unterschwellig klassistische, unreflektierte Verhaltensweisen, entmutigen Menschen, die mit dem Gedanken spielen, literarisches Schreiben mal auszuprobieren oder die heimlich davon träumen, Autor*in zu sein. Lesen ist nun mal einfach nicht alles, was ein*e Autor*in prägt. Dazu unten und in den nächsten Tagen mehr.

Warum Menschen nicht lesen, eine unvollständige Liste

Es gibt viele Umstände, die Menschen dazu bringen können, nicht zu lesen, weil sie Energie kosten. Zum Beispiel:

  • berufstätig sein
  • Kinder haben
  • Angehörige pflegen
  • chronisch krank sein
  • Schmerzen haben
  • kein Geld haben
  • Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen, in denen Lesen sozial sanktioniert wird
  • Analphabetismus, Dyslexie, Autismus

Mir würden weitere Gründe, die Menschen vom Lesen abhalten, einfallen, aber ich denke, es ist klar, worauf ich hinauswill. Es ist einfach sehr kurz gedacht, davon auszugehen, dass jeder Mensch in der Lage dazu ist, zu lesen und das auch andauernd tut.

Ich selbst schreibe und lese viel – allerdings, weil das eng mit meinem Beruf als Online-Redakteur*in verknüpft ist. Nach der Arbeit möchte ich oft etwas anderes tun.

Zum Glück leben wir in einer Zeit, in der man Romane, Kurzgeschichten, Essays und Gedichte auch hören kann, zum Beispiel in Form von Hörbüchern oder bei YouTube. Deshalb höre ich viel öfter Hörbücher oder Podcasts, während ich andere Dinge mache oder mich entspanne. Generell werde ich stärker von anderen Dingen als Literatur inspiriert. Das bedeutet nicht, dass ich mich nicht gerne mit Literatur befasse. Aber ein ultimativer Bücherwurm, Booklover, Buchjunkie oder wie immer man es nennen möchte, bin ich nicht.

Bedeutet das wiederum, dass ich kein*e Autor*in sein kann? Macht das meine Texte schlechter? Bilde dir gerne eine eigene Meinung über meine Inhalte. Aber meine persönliche Überzeugung ist: absolut nicht. Es spielt keine Rolle, ob du viel, wenig oder gar nicht liest, um ein*e Autor*in sein zu können. Um ein*e Autor*in zu werden, braucht man andere Dinge.

Was braucht man, um ein*e Autor*in zu sein?

Ob man ein*e Autor*in werden kann, hängt erst einmal vom eigenen Selbstverständnis ab. Meine Überzeugung:

Ein*e Autor*in wirst du in dem Moment, in dem du sagst, dass du ein*e Autor*in bist.

Auch Empathie und Offenheit sind zwei wichtige Eigenschaften, die man meiner Ansicht nach als Autor*in mitbringen sollte.

  • Empathie ist wichtig, um sich in die Gefühlswelt anderer hineinversetzen zu können und zu verstehen, warum sie handeln wie sie handeln.
  • Offenheit ist wichtig, um dazu in der Lage zu sein, sich mit verschiedenen Menschen, die anders sind als man selbst, auseinanderzusetzen und nicht zurückzuschrecken vor anderen Lebensrealitäten.

Viele sagen auch, dass es wichtig ist, ein breitgefächertes Vokabular zu haben, um sich möglichst differenziert ausdrücken zu können. Auch um das auszubilden, sei lesen wichtig. Dazu sage ich: jaein. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich viele Menschen hinter komplizierter, verschnörkelter Sprache verstecken. Warum etwas verkomplizieren, dass man einfach sagen kann? Machen große Worte und ein akademischer Schreibstil Texte besser? Damit sage ich nicht, dass es prinzipiell schlecht ist, ein großes Vokabular zu haben, um sich ausdrücken zu können. Es macht einen aber nicht besser – übrigens auch nicht als Mensch -, wenn man dieses Vokabular hat. Und meine Haltung dazu ist, dass man, wo immer möglich, Dinge einfach sagen beziehungsweise schreiben sollte.

Der Rest ist Handwerk. Und, das schreibe ich als Mensch, der mehr als zehn Jahre Erfahrung im beruflichen Schreiben hat: Dieses Handwerk ist erlernbar – und zwar von allen. Wer etwas anderes behauptet, möchten deckeln, wer Teil der literarischen Gemeinschaft sein darf und kann. Das nennt sich Gatekeeping und das lehne ich ab.

Um das Handwerk zu erlernen, kann man Bücher lesen, um sich vom Stil anderer Autor*innen inspirieren zu lassen, wenn man ein Mensch ist, den Bücher stark bewegen und dem das Lesen leicht fällt. Muss man aber nicht. Bücher können eine große Inspirationsquelle für Themen oder Figuren sein. Sie sind aber nicht die beste oder einzige Inspirationsquelle. Es gibt so etwas wie „die beste“ Inspirationsquelle nicht.

Es gibt Inspirationen, die eher zu uns passen als andere. Es gibt Dinge, die uns leicht und ohne, dass man sich dazu überwinden oder dabei anstrengen muss, bewegen. Es gibt mehr als einen Weg, Fähigkeiten auszubilden. Und diese Vielfalt ist doch eigentlich ziemlich schön, oder?

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