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Lektorat.

KLATSCH macht die Seiten, als S. sie mit Schwung auf D.s Schreibtisch haut. Die Augen zu Schlitzen zusammengekniffen, presst sie atemlos und mit geröteten Wangen hervor: „Was soll das hier?! Kannst du mir das mal sagen, bitte, was das hier soll?“

D., vom plötzlichen und dramatischen Auftritt von S. weder sonderlich beeindruckt noch überrascht wirkend, lehnt sich in ihrem Schreibtischstuhl zurück und nimmt sich ein paar Sekunden Zeit zu antworten, die nach Luft schnappende S. mit amüsiertem Blick musternd. Schließlich, nach einigen quälend langsam verstreichenden Sekunden, entgegnet sie, S. fest in die Augen schauend, während ein leichtes Lächeln, das manche als gehässig bezeichnen würden, ihre Lippen umspielt, in betont ruhigem Ton: „Oh, du hast meine Anmerkungen zu deinem Text gelesen. Wie schön.“

„Was anderes hast du dazu nicht zu sagen?!“, zischt S. „Ich finde das nicht okay. Absolut nicht okay.“

„S., oh, S. Meine liebe, liebe S.“, entgegnet D. jetzt genüsslich, lehnt sich noch etwas weiter in ihrem Stuhl zurück und verschränkt die Hände hinter dem Kopf. „Es tut mir ja wirklich leid, dass dich das so mitnimmt. Wirklich“, sagt sie grinsend und fügt hinzu: „Aber, nun ja. Was soll ich sagen. Dein Text war leider Schrott.“ Das letzte Wort betont sie ganz besonders und mustert S. dabei intensiv.

S. kneift ihre Augen nun noch mehr zusammen. Die Hände zu Fäusten geballt, erkennt man, wenn man ganz genau hinschaut, dass sie vor Wut ganz leicht am ganzen Körper zittert. Ihre Stimme nun kaum noch hörbar, zischt sie erneut: „Das nimmst du zurück. Das nimmst du sofort zurück.“

D. seufzt gespielt melodramatisch und greift nach dem ausgedruckten Text vor sich: „Ich meine, nehmen wir mal hier die Seite drei, diese Passiv-Konstruk…“, bevor sie den Satz beenden kann, reißt S. ihr das Papier aus der Hand.

„Nimm deine dreckigen Hände da weg!“, zischt S. „Dieser Text ist offensichtlich über deinem Niveau!“

„Aber, aber … Meine liebe S.! Wir wollen doch nicht ausfällig werden“, sagt D. mit einem breiten Grinsen. „Ich will dir doch nur helfen.“

„Das Komma auf Seite sieben war korrekt gesetzt!“, ruft S. Ihre Stimme wird immer lauter.

„Nein, S. Das war ganz eindeutig ein erweiterter Infinitiv, deshalb gehörte da kein Komma hin.“

„Nein, D.“, S. imitiert jetzt D.s Stimme, „das war eine Ausnahmeregelung, okay?“

„Okay?!“, äfft jetzt D. im Gegenzug S. nach.

Einen Moment lang herrscht Stille. Das Gesicht von S. ist jetzt so rot wie die Erdbeermarmelade, die schon vor Jahren jemand im Kühlschrank im Pausenraum geparkt und seitdem nicht wieder mitgenommen hat (an einer Ecke ist sie schon ganz schimmelig).

„Vielleicht solltest du anfangen, über die Möglichkeit nachzudenken, dass du einfach kein Talent hast, S.“, flüstert D. mit nun ebenfalls zusammengekniffenen Augen.

Das war scheinbar der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, denn bevor D. weiß, wie ihr geschieht, beugt sich S. über den Schreibtisch, holt weit aus und schlägt D. den ausgedruckten Text ins Gesicht. Zumindest versucht sie es, denn D. kann in letzter Sekunde ausweichen. Mit weit aufgerissenen Augen starrt sie S. an. „Du … Du …“, presst sie heraus, mit dem Schreibtischstuhl nach hinten rollend.

„Ich habe die Schnauze voll von deiner Scheiße!“, kreischt S., während sie sich wie eine Turnerin über D.s Schreibtisch schwingt. D. springt ruckartig auf, baut sich vor S. auf, sodass ihr Gesicht nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt ist, und schreit mit nun ebenfalls rot angelaufenem Gesicht: „Hau ab! Hau ab! Hau ab!“ Eine Ader auf ihrer Stirn pulsiert.

„Sonst was?!“, schreit S. zurück in D.s Gesicht.

„Ich zerkratze dir dein verdammtes Gesicht, wenn du nicht sofort aus meinem Büro verschwindest!“, schreit D. wiederum.

„DIE METAPHER AUF SEITE 35 – ÜBER DIE HABE ICH STUNDENLANG NACHGEDACHT UND DU STREICHST SIE EINFACH?! WER DENKST DU, WER DU BIST?! DU … du …“. Bevor S. noch etwas hinzufügen kann, schießt D.s Hand an ihre Gurgel. „Wag es nicht, wag es nicht mich zu beleidigen, du blöde Bitch! Ich bin eine gottverdammte Senior-Redakteurin, ich weiß verdammt nochmal, was ich tue, und du …“.

S. beginnt nun ebenfalls, D. zu würgen und presst hervor: „Ich bin auch eine verdammte Senior-Redakteurin!! Ich habe studiert! Ich habe einen Master in Linguistik!! Ich weiß sehr wohl, was ich schreibe und … aaaaaaahhhhh!!!“. D. reißt jetzt mit der linken Hand an S.s Haaren, was sie zu einem lauten Schmerzensschrei veranlasst. „Ich hasse dich!! Ich hasse dich! Ich hasse dich!“

S. stimmt mit ein und schreit ebenfalls: „Nein, ich hasse dich! Ich hasse dich! Ich hasse dich!!“

Sie gegenseitig würgend gehen beide zu Boden.

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